Asylrecht
Deutschland ist eines der wenigen Länder, in dem das Recht auf Asyl in der Verfassung festgeschrieben ist (Art. 16a GG). Es ist das einzige Grundrecht, das nur Ausländern zusteht. Allerdings wurde es mit dem sogenannten Asylkompromiss von 1993 stark eingeschränkt. Ein Überblick zur aktuellen Rechtslage:
Irreguläre Einreisen: Rechtliche Einordnung
Ausländer haben drei Möglichkeiten, regulär nach Deutschland einzureisen: Sie müssen ein gültiges Visum besitzen oder Inhaber eines Reisepasses sein, mit dem eine visafreie Einreise erlaubt ist (das gilt aktuell für 59 Drittstaaten), oder der EU-Freizügigkeit unterliegen. Wenn eine Person über keine dieser Aufenthaltsberechtigungen verfügt, reist sie irregulär ein.
Zum Begriff: Die Bundespolizei bezeichnet die irregulären Einreisen als „unerlaubte Einreisen“. Manchmal werden irreguläre Einreisen auch als "illegale Einreisen" bezeichnet.
Wer reist irregulär ein?
Alle Personen, die keinen gültigen Aufenthaltstitel für Deutschland besitzen, reisen irregulär ein. Dazu gehören auch die meisten Flüchtlinge, die nach Deutschland kommen. Denn wenn Menschen zum Beispiel im Falle eines Kriegsausbruchs plötzlich fliehen müssen, bleibt keine Zeit, um sich vorher um ein Visum zu kümmern.
Selbst wenn Personen aus Kriegsländern versuchen, ein Visum für Deutschland zu bekommen, bleibt dies meist erfolglos: Denn ein allgemeines humanitäres Visum für Menschen, die Schutz suchen, gibt es nicht. Zwar gibt es die Möglichkeit, eine Aufenthaltserlaubnis "aus völkerrechtlichen oder dringenden humanitären Gründen" zu erhalten. Diese wird allerdings nur in Ausnahmefällen erteilt – 2024 an 4.358 Personen. Würde ein Flüchtling stattdessen versuchen, ein Touristenvisum zu bekommen, so würde dies an der sogenannten Rückkehrbereitschaft scheitern. Und auch die Anzahl der "Resettlement"-Plätze ist vergleichsweise gering: 2024 bekamen 1859 Personen einen Aufenthaltstitel für Resettlement, sowie 6536 Personen einen Aufenthaltstitel über andere Aufnahmeprogramme.Quelle
Beförderungsunternehmen ist es verboten, Menschen ohne Aufenthaltsstatus nach Deutschland zu bringen. Eine Fluggesellschaft würde zum Beispiel sanktioniert werden, wenn sie Flüchtlinge ohne Aufenthaltstitel nach Deutschland brächte. Daher bleibt einer Person, die fliehen muss, in den meisten Fällen nur die Möglichkeit, als „irregulärer“ Flüchtling – und damit meist auf umständlichen und gefährlichen Wegen – nach Deutschland zu kommen.Quelle
Warum sind Flüchtlinge ab dem Moment des Asylantrags nicht mehr „irregulär"?
Sobald Flüchtlinge in Deutschland ankommen, stellen sie normalerweise zügig einen Asylantrag. Ab diesem Moment sind sie nicht mehr „irregulär“: Denn im Moment des Asylgesuchs gilt ihr Aufenthalt in Deutschland als legal und sie erhalten eine Aufenthaltsgestattung. Für die ursprünglich irreguläre oder unerlaubte Einreise dürfen Asylsuchende nicht strafrechtlich belangt werden. Das ergibt sich aus der Genfer Flüchtlingskonvention: Sie verbietet die Sanktionierung der irregulären Einreise, da Flüchtlinge meist gar nicht anders können, als „illegal“ oder „irregulär“ einzureisen.Quelle
Wie viele irreguläre Einreisen nach Deutschland gibt es und was sagen die Zahlen aus?
Zwischen 2020 und 2023 stieg die Zahl der irregulären Einreisen an, danach gab es einen Rückgang. 2024 gab es in den meisten Monaten circa 7.000 irreguläre Einreisen. Die Zahlen stehen immer wieder im Mittelpunkt der Debatte rund um Migration und Flucht nach Deutschland. Dabei sind sie kein präziser Gradmesser für die Zahl der Flüchtlinge: Die offizielle Statistik zu der Frage, wie viele Asylbewerber nach Deutschland kommen, ist die Asylantrag-Statistik des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge (BAMF). Vergleicht man die monatlichen – oder auch jährlichen – Zahlen der irregulären Einreisen mit den Asylanträgen, so zeigt sich: Die Zahl der Asylanträge ist deutlich höher.Quelle
Der Grund für die höheren Asylantragszahlen: Zwar reisen die meisten Flüchtlinge irregulär nach Deutschland ein – es werden aber nicht alle dabei kontrolliert.
Irreguläre Einreisen stoppen – geht das?
Irreguläre Einreisen zu stoppen würde bedeuten, fast gar keine Flüchtlinge mehr nach Deutschland hereinzulassen. Mit der aktuellen Rechtslage wäre das nicht vereinbar. Denn selbst wenn die Bundesregierung immer mehr Grenzbeamte an deutschen Grenzen postiert, bedeutet das nicht, dass die Beamten Asylsuchende an der Grenze abweisen dürfen: Nach deutschem und europäischem Recht hat jede asylsuchende Person in Deutschland Anspruch auf die individuelle Prüfung ihres Antrags. Ohne diese Prüfung darf sie nicht zurückgewiesen werden.
Dies gilt auch für Personen, die über einen der EU-Nachbarstaaten Deutschlands einreisen: Sie haben mindestens einen Anspruch auf Durchführung des "Dublin-Verfahrens". In diesem Verfahren wird geprüft, ob Deutschland oder ein anderer EU-Mitgliedstaat für das Asylverfahren zuständig ist. So ist Deutschland zum Beispiel immer dann zuständig, wenn bereits enge Familienmitglieder der asylsuchenden Person in Deutschland leben oder wenn in dem EU-Mitgliedstaat, in den die Person als erstes eingereist war, sehr schlechte Bedingungen herrschen – so wie jahrelang in Griechenland. Dass Zurückweisungen an EU-Binnengrenzen rechtswidrig sind, haben zuletzt Urteile sowohl des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) als auch des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR) bestätigt. Systematische Zurückweisungen an den Grenzen wären nur dann möglich, wenn Deutschland eine "Notlage" nach Artikel 72 AEUV erklärt – bislang verneinte der Europäische Gerichtshof eine solche allerdings.Quelle
Die Grenzpolizei kann ankommende Asylsuchende also nur kontrollieren, nicht aber abweisen. Abweisen kann sie nur Personen, die keine Aufenthaltsberechtigung für Deutschland besitzen und nicht um Asyl bitten. In den letzten Monaten gab es Medienberichte, laut denen Grenzbeamte mit suggestiven Methoden versucht haben sollen, Personen vom Stellen eines Asylgesuchs abzuhalten, damit sie diese dann ohne Asylverfahren oder Dublin-Verfahren abweisen können. Ein solches Vorgehen würde irreguläre Einreisen verhindern – wäre aber illegal.Quelle
Darf Deutschland Asylsuchende an den Grenzen zurückweisen?
Nach aktueller Rechtslage dürfen Asylsuchende nicht an der Grenze zurückgewiesen werden. Das ergibt sich aus dem nationalen, europäischen und internationalen Flüchtlingsrecht. Dennoch werden aktuell Asylsuchende an den Grenzen zurückgewiesen.
Zurückweisungen aufgrund der Weisung vom Bundesinnenministerium vom Mai 2025
Am 7. Mai hat das Bundesinnenministerium eine Weisung erlassen, nach der Schutzsuchenden die Einreise in die Bundesrepublik durch die Landesgrenzen verwehrt werden kann – ausgenommen sind nur "erkennbar vulnerable" Personen wie etwa schwangere Frauen, unbegleitete Kinder und Kranke. Bei allen Einreisenden ohne gültige Reisedokumente nimmt die Bundespolizei Personaldaten und Fingerabdrücke ab, führt eine kurze Anhörung und erlässt eine Zurückweisungsverfügung. Die Personen werden dann festgehalten bis sie den Grenzbehörden der Nachbarstaaten übergeben werden können. Zum Stand 15. Mai 2025 wurden nur wenige Dutzend Schutzsuchende zurückgewiesen. Etliche Nachbarstaaten Deutschlands haben sich gegen die verstärkten Grenzkontrollen und Zurückweisungen an den Grenzen geäußert.
Sind die Zurückweisungen rechtmäßig?
Das Bundesinnenministerium beruft sich in seiner Weisung auf das deutsche Asylgesetz (AsylG §18, Abs. 2). Demnach kann Asylsuchenden die Einreise verweigert werden, wenn es Anhaltspunkte dafür gibt, dass ein anderer EU-Staat für sie zuständig ist. Allerdings: Das nationale Asylgesetz ist dem europäischen sowie internationalen Recht untergeordnet.
Direkte Zurückweisungen von Asylsuchenden an EU-Binnengrenzen werden insbesondere von zwei EU-Gesetzen ausgeschlossen:
- Nach dem Schengener Grenzkodex (Artikel 23a) können Drittstaatsangehörige, die im Grenzgebiet ohne Aufenthaltsrecht aufgegriffen werden, zwar unmittelbar in den Staat überstellt werden, aus dem sie eingereist sind. Das gilt allerdings explizit nicht für Asylsuchende (Artikel 23a, Abs. 1).
- Bei Asylsuchenden, die aus anderen EU-Staaten einreisen, muss außerdem eine Zuständigkeitsprüfung nach der "Dublin-III-Verfahren" stattfinden. In diesem Verfahren wird geprüft, ob Deutschland oder ein anderer EU-Mitgliedstaat für das Asylverfahren zuständig ist.
De facto agiert die Bundesregierung damit gegen geltendes EU-Recht. Rechtmäßig kann dies nur im Fall einer Notlage (und wenn die Regelungen selbst keine Vorkehrungen für eine solche Notlage treffen) sein: Nach dem "Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union" (AEUV) kann ein Mitgliedstaat Teile des EU-Rechts aussetzen (AEUV Artikel 72). Mitgliedstaaten, die sich bisher explizit auf Artikel 72 bezogen haben, mussten dies vor dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) begründen und die Lage nachweisen. Der EuGH hat allerdings in allen bislang entschiedenen Fällen das Berufen auf eine solchen Notlage für rechtswidrig erklärt.
Das Verwaltungsgericht Berlin hat am 2. Juni 2025 im Fall von drei somalischen Kläger*innen die Zurückweisungen an deutschen Grenzen für rechtswidrig erachtet. Die Begründung: Personen, die bei Grenzkontrollen auf deutschem Staatsgebiet ein Asylgesuch äußern, dürfen nicht ohne Durchführung des Dublin-Verfahrens zurückgewiesen werden. Auch können Zurückweisungen nicht auf Grundlage von Art. 72 AEUV stattfinden.
Zurückweisung an den EU-Außengrenzen
Ohne vorher einen Staat der EU oder die Schweiz betreten zu haben, können Drittstaatsangehörige die Außengrenzen Deutschlands nur über den Luft- oder Seeweg überqueren. Wenn sie Schutz in Deutschland suchen, gilt für sie das "Non-refoulment"-Prinzip – das heißt: Bevor sie in das Land, aus dem sie eingereist sind, zurückgewiesen bzw. zurückgeschoben werden, müssen deutsche Behörden prüfen, ob ihnen in diesem Land Folter, unmenschliche oder erniedrigende Behandlung droht. Das geht aus der Europäischen Menschenrechtskonvention (Artikel 3) sowie aus der Genfer Flüchtlingskonvention (Artikel 33) hervor. Demnach hat jede asylsuchende Person in Deutschland auch Anspruch auf die individuelle Prüfung ihres Antrags. Ohne diese Prüfung darf sie nicht zurückgewiesen werden.Quelle.
Gerichtsurteile über Zurückweisungen
Dass Zurückweisungen an EU-Binnengrenzen rechtswidrig sind, haben zuletzt Urteile sowohl des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) als auch des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR) bestätigt.Quelle
Quellen
- Hruschka, Constantin (2025), Dobrindts Rechtsbruch LINK
- Korsch S., Umbart K. (2025), Mehr als grenzwertig – Zu den rechtlichen und politischen Folgen von Zurückweisungen von Asylsuchenden LINK
- Daniel Thym (2024), Nun also doch? Zurückweisungen von Asylbewerbern aufgrund einer "Notlage" LINK
- Daniel Thym (2023), Rechtsgutachten über die Anforderungen und Rechtsfolgen des Artikels 72 EU-Arbeitsweisevertrag für die ausnahmsweise Abweichung vom EU-Asylrecht LINK
- Daniel Thym (2018), Der Rechtsbruch-Mythos und wie man ihn widerlegt, Verfassungsblog Mai 2018 LINK
- Deutsches Institut für Menschenrechte (2018), Zurückweisungen von Flüchtlingen an der Grenze? – Eine menschen- und europarechtliche Bewertung, Juni 2018 LINK
- Wissenschaftliche Dienste des deutschen Bundestags (2017), Einreiseverweigerung und Einreisegestattung nach § 18, 2017, Seite 6 LINK
- Dana Schmalz (2018): Weshalb man Asylsuchende nicht an der Grenze abweisen kann, Link
Dublin-Verordnung: Zahlen und Rechtslage
Wie viele Dublin-Fälle gibt es?
Im ersten Quartal 2025 hat Deutschland im Rahmen der Dublin-III-Verordnung etwa 13.200 "Übernahmeersuche" an andere EU-Mitgliedstaaten gestellt. In das Land überstellt, das für sie zuständig ist, wurden in dieser Zeit 1.715 Personen.Quelle
2024 gab es etwa 74.600 "Übernahmeersuche" an andere EU-Mitgliedstaaten im Rahmen der Dublin-III-Verordnung – vor allem an Griechenland (ca. 15.500 Übernahmeersuche), Kroatien (14.100) und Italien (12.800). Tatsächlich in das Land überstellt, das für sie zuständig ist, wurden in dieser Zeit rund 5.800 Menschen – vor allem nach Österreich (ca. 1.100 Überstellungen), Frankreich (970) und Spanien (580). Zwischen Januar und Oktober 2024 wurden etwa 4.600 Menschen aus anderen europäischen Staaten nach Deutschland überstellt.Quelle
Ausreisen finden nur in Ausnahmefällen ohne Koordinierung durch die zuständigen Behörden statt: Im Jahr 2024 waren nur 4 Prozent der Dublin-Ausreisen "freiwillige unkoordinierte Ausreisen".Quelle
2023 gab es 74.600 "Übernahmeersuche" und rund 5.000 Überstellungen. Etwa 4.300 Menschen wurden aus anderen europäischen Staaten nach Deutschland überstellt.Quelle
Wie funktioniert das Dublin-Verfahren?
Die Dublin-III-Verordnung regelt, welcher EU-Staat für die Prüfung eines Asylantrags zuständig ist. Demnach ist in der Regel immer der erste Mitgliedstaat zuständig, über den die EU betreten wurde. Unter anderem soll so verhindert werden, dass eine Person mehrere Asylanträge in verschiedenen EU-Ländern stellt. Die Verordnung gilt für alle EU-Mitgliedstaaten, die Schweiz, Norwegen und Lichtenstein.Quelle
Wenn Schutzsuchende einen Asylantrag in Deutschland stellen, prüft das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) zunächst, ob sie bereits in einem anderen Dublin-Staat registriert sind. Das kann durch ein persönliches Gespräch sowie durch einen Abgleich der Fingerabdrücke mittels der EURDOAC-Datenbank erfolgen. Wenn sich herausstellt, dass die antragstellende Person bereits in einem anderen Mitgliedstaat registriert wurde, schickt das Bundesamt ein sogenanntes Übernahmeersuchen an die zuständige Stelle des Erstaufnahme-Staates.Quelle
Wenn der Mitgliedstaat der Übernahme zustimmt, wird das Asylverfahren in Deutschland eingestellt und der Antragsteller soll in den zuständigen Staat ausreisen oder abgeschoben werden. Dagegen kann der Antragsteller klagen. Die Überstellung muss innerhalb von (maximal) 18 Monaten ab Zustimmung des Mitgliedstaats erfolgen. Wenn der Antragstellende nach 18 Monaten noch nicht überstellt wurde, wird der Staat, in dem die asylsuchende Person sich aktuell aufhält, für den Asylantrag zuständig. Im Rahmen der Reform des "Gemeinsamen Europäischen Asylsystems" soll diese Frist auf drei Jahre verlängert werden.Quelle
Schutzsuchende, für die nach der Dublin-III-Verordnung ein anderer EU-Mitgliedstaat zuständig ist und für die eine Abschiebung angeordnet wurde, sind ausgeschlossen von Asylbewerberleistungen, wenn eine Ausreise für sie "rechtlich und tatsächlich möglich" ist. Ihnen wird ein "Laissez-Passer" erteilt, das sie zur selbständigen Ausreise befugt.Rechtsgrundlage
Warum werden "Dublin-Fälle" nicht abgeschoben?
Ende März 2025 hielten sich rund 25.700 Asylbewerber*innen in Deutschland auf, bei denen im Rahmen vom Dublin-III-Verfahren festgestellt wurde, dass ein anderer Mitgliedstaat für sie zuständig ist. Etwa 6.400 von ihnen gelten als ausreisepflichtig.Quelle
Es gibt viele Gründe, weshalb eine Dublin-Abschiebung nicht vollzogen werden kann. Im Fall einiger Mitgliedstaaten wie etwa Griechenland (bis 2024) haben deutsche Gerichte festgestellt, dass dort systemische Mängel bestehen und Asylbewerbern eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung droht. In anderen Fällen weigern sich Mitgliedstaaten aufgrund hoher Flüchtlingszahlen, Dublin-Fälle zurückzunehmen – das ist zum Beispiel derzeit der Fall in Italien und galt 2022 für Bulgarien.Quelle
Hindernisse bei anderen EU-Mitgliedstaaten sind der Hauptgrund, weshalb Überstellungen scheitern (rund ein Viertel der Fälle 2023). Ein weiterer Grund sind Probleme bei der Ausländerbehörde (20 Prozent der Fälle). In etwa 12 Prozent der Fälle scheiterte die Überstellung, weil die ausreisepflichtige Person untergetaucht ist.Quelle
Sichere Herkunftsstaaten: Länderliste und Zahlen
Was sind "sichere Herkunftsstaaten"?
Die Bundesregierung entschied am 4. Juni 2025, die Einstufung von Staaten als „sichere Herkunftsländer" künftig per Rechtsverordnung vorzunehmen. Bislang wurden "sichere Herkunftsländer" per Gesetz bestimmt, dem Bundestag und Bundesrat zustimmen mussten. Die Bestimmung per Rechtsverordnung ist auf Grundlage von EU-Recht möglich: Die Asylverfahrensrichtlinie bestimmt, dass und wie Mitgliedstaaten einzelne Länder als "sicher" einstufen können, wenn dies von internationalen Informationsquellen wie dem UN-Flüchtlingswerk (UNHCR) und dem Europäisches Unterstützungsbüro für Asylfragen (EASO) bestätigt wird. Mit einigen Ausnahmen führen EU-Mitgliedstaaten eine Liste von "sicheren Herkunftsstaaten". Anträge von Asylbewerber*innen aus diesen Staaten werden im Eilverfahren bearbeitet. Sie bekommen zudem eine reduzierte Rechtsbeihilfe und haben einen eingeschränkten Zugang zu Leistungen und zum Arbeitsmarkt.
In Deutschland ist das Prinzip der "sicheren Herkunftsstaaten" im Grundgesetz verankert und im Asylgesetz konkretisiert. Demnach soll die Bundesregierung unter anderem alle zwei Jahre die Sicherheitslage in den "sicheren Herkunftsstaaten" prüfen und die Liste gegebenenfalls anpassen.
Die Liste der "sicheren Herkunftsstaaten"
Seit 2015 gelten neben dem Senegal, Ghana, Bosnien-Herzegowina, Mazedonien und Serbien auch der Kosovo, Albanien und Montenegro als "sichere Herkunftsstaaten". 2023 wurden auch die Republik Moldau und Georgien auf die Liste hinzugefügt.
Laut Koalitionsvertrag vom 9. April 2025 sollen Marokko, Algerien, Tunesien und Indien als sicher eingestuft werden. Ein Gesetz zur Einstufung von Tunesien, Algerien und Marokko als "sicher" wurde bereits 2016 vom Bundestag verabschiedet, bekam aber anschließend nicht die erforderliche Zustimmung des Bundesrats. Nun soll das per Rechtsverordnung erreicht werden.
Im April 2025 legte außerdem die EU-Kommission einen Vorschlag für eine EU-weite Liste sicherer Herkunftsstaaten vor, Parlament und Länder müssen noch zustimmen. Auf der Liste stehen der Kosovo, Bangladesch, Kolumbien, Ägypten, Indien, Marokko und Tunesien.Quelle
Wie viele Asylsuchende kommen aus "sicheren Herkunftsstaaten"?
Aus "sicheren" Herkunftsstaaten kommen derzeit relativ wenige Asylbewerber*innen nach Deutschland.
Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge geht bei Asylanträgen aus sicheren Herkunftsstaaten im Regelfall davon aus, dass in diesen Staaten keine Gefahr der asylrelevanten Verfolgung für den Antragsteller droht. Wenn ein Asylbewerber aus einem solchen Staat kommt, wird der Antrag regelmäßig als "offensichtlich unbegründet" abgelehnt.Quelle
Regeln für Asylbewerber aus "sicheren Herkunftsstaaten"
- Asylbewerber aus "sicheren Herkunftsstaaten" bleiben in der Regel bis zum Ende des Asylverfahrens in Aufnahmeeinrichtungen, solange über ihren Antrag noch nicht entschieden wurde.Grundlage
- Asylbewerber aus "sicheren Herkunftsstaaten" dürfen während des Asylverfahrens keiner Arbeit nachgehen. Andere Asylbewerber können unter Umständen nach drei Monaten arbeiten.Grundlage
- Wurde ein Antrag als "offensichtlich unbegründet" abgelehnt, hat ein Betroffener nur eine Woche Zeit, um Deutschland zu verlassen. Bei anderen abgelehnten Asylbewerbern beträgt die Ausreisefrist 30 Tage.Grundlage
- Wenn der Antragsteller gegen den Beschluss klagen will, hat er dafür nur eine Woche Zeit und nicht – wie bei anderen Asylbewerbern – zwei Wochen.Grundlage
KRITIK
Menschenrechtsorganisationen wie Pro Asyl und das Deutsche Institut für Menschenrechte kritisieren, dass mehrere Staaten auf der Liste der "sicheren Herkunftsstaaten" für bestimmten Menschengruppen unsicher seien. Das gehe aus Gutachten und Stellungnahmen über die Lage in den einzelnen "sicheren Herkunftsstaaten" hervor.
Flughafenverfahren: Zahlen und Rechtslage
Wenn Schutzsuchende über den Luftweg nach Deutschland einreisen, kann das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) über ihren Asylantrag in einem Eilverfahren im Transitbereich des Flughafens entscheiden. Das geschieht, wenn
- die einreisende Person aus einem sicheren Herkunftsstaat kommt,
- oder sie keine gültigen Reisedokumente hat.
Das Verfahren
Bei einreisenden Schutzsuchenden, die sich im Transitbereich eines Flughafens befinden, gilt die sogenannte Fiktion der Nichteinreise. Das heißt: Die Personen werden so behandelt, als wären sie noch nicht nach Deutschland beziehungsweise in die Europäische Union eingereist. Für sie gilt ein besonderes Asylverfahren (AslyG §18a). Dieses Prinzip ist rechtlich sehr umstritten.Quelle
Das BAMF muss die Schutzsuchenden unverzüglich anhören und innerhalb von zwei Tagen über ihren Asylantrag entscheiden. Wenn der Antrag bewilligt wird, darf die Person einreisen. Wenn er abgelehnt wird, wird sie entweder zu ihrem Abflugort oder in ihr Herkunftsland zurückgewiesen. Asylbewerber*innen im Flughafenverfahren können gegen einen negativen Beschluss klagen und haben dabei (wie andere Antragstellende) Anspruch auf Rechtsberatung. Das zuständige Verwaltungsgericht muss dann innerhalb von 14 Tagen über die Klage urteilen.Quelle
Bis zur endgültigen Entscheidung müssen die Asylbewerber*innen im Transitbereich des Flughafens bleiben. Flughafenverfahren können deshalb nur an Flughäfen stattfinden, die Asylbewerber*innen unterbringen können. Das Flughafenverfahren dauert maximal 19 Tage. Wenn keine rechtskräftige Entscheidung innerhalb dieser Frist getroffen wird, kann die einreisende Person den Transitbereich verlassen.Quelle
Laut einem Praxisbericht der Flüchtlingshilfsorganisation "Pro Asyl" können Beschlüsse in derartigen Grenzverfahren kaum Rücksicht auf den psychischen und physischen Zustand der Schutzsuchenden nehmen und führen oftmals zu mangelhaften Urteilen.
Flughafenverfahren im Gemeinsamen Europäischen Asylsystem
Nach der Reform des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems (GEAS) plant die Bundesregierung, dieses "Grenzverfahren" auch auf alle Schutzsuchenden auszuweiten, die
- Falschangaben über ihre Identität machen,
- aus Herkunftsstaaten kommen, für die eine durchschnittliche EU-weite "Schutzquote" von 20 Prozent oder weniger vorliegt.
Asylanträge von Personen, die aus "sicheren Drittstaaten" oder "sicheren Herkunftsstaaten" kommen, können als unzulässig abgelehnt werden. "Grenzverfahren" nach der neuen EU-Asylverfahrensrichtlinie können bis zu 12 Wochen dauern (VO 2024/1348, Artikel 51). Das Gesetzesvorhaben wurde von verschiedenen Menschenrechtsorganisationen stark kritisiert.QuelleEntwurf eines Gesetzes zur Anpassung des nationalen Rechts an die Reform des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems 6.11.2024 LINK
Die Zahlen
2024 hat die Bundespolizei rund 13.500 "unerlaubte Einreisen" über die Luftgrenze festgestellt – 2023 waren es etwa 14.000 Einreisen. Zwischen Januar und Oktober 2024 gab es 365 "Flughafenverfahren".Quelle
Für Personen ohne reguläre Reisedokumente ist es sehr schwierig, über den Luftweg einzureisen, denn ohne ein Visum ist es in der Regel nicht möglich, ein Flugzeug zu besteigen. Nach EU-Recht gilt in dem Fall die Fluggesellschaft als "Beförderungsunternehmen", das sich als solches strafbar macht und eine entsprechende Geldstrafe zahlen muss.
Pushbacks an den EU-Außengrenzen
Mit dem englischen Begriff "Pushbacks" werden rechtswidrige Zurückweisungen von Flüchtlingen bezeichnet – vor allem an den Außengrenzen der Europäischen Union.
Mehrere Mitgliedstaaten der EU führen an den Außengrenzen der EU solche "Pushbacks" durch. Entsprechende Berichte gibt es von den Grenzen zwischen Belarus und Polen, Belarus und Litauen sowie von der serbisch-ungarischen, bosnisch-kroatischen, nordmazedonische-griechischen, albanisch-griechischen, türkisch-griechischen Grenzen sowie auf hoher See vor den Küsten Griechenlands und Italiens.Quelle
An vielen dieser Pushbacks sind laut Investigativrecherchen auch Einheiten der Grenzschutzagentur Frontex beteiligt, obwohl das laut der Frontex-Verordnung verboten ist. Eine Untersuchungskommission des Europäischen Parlaments hat diese Vorwürfe untersucht, konnte jedoch keine abschließende Beweise für eine Beteiligung von Frontex an Pushbacks finden. Eine Übersicht über die Vorwürfe gegen Frontex und die darauffolgenden Untersuchungen finden sich in diesem MEDIENDIENST-Artikel.Quelle
Sind Pushbacks illegal?
Pushbacks sind grundsätzlich illegal. Zwar dürfen EU-Mitgliedstaaten ausländische Staatsbürger*innen daran hindern, unerlaubt ihre Grenzen zu überschreiten. Es gelten aber Einschränkungen, die von verschiedenen europäischen und internationalen Abkommen zum Schutz der Menschenrechte festgelegt wurden:
- Verbot der Kollektivausweisung: Gruppen von ausländischen Staatsbürger*innen dürfen nicht kollektiv abgeschoben beziehungsweise zurückgewiesen werden – unabhängig davon, ob sie Flüchtlinge sind oder nicht. Das bestimmt die Europäische Menschenrechtskonvention (IV. Zusatzprotokoll, Artikel 4).
- Verbot der Folter und der unmenschlichen Behandlung: Niemand darf in einen Staat abgeschoben oder zurückgewiesen werden, in dem ihm oder ihr Folter oder unmenschliche Behandlung droht. Das hat der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte 1989 von Artikel 3 der EMRK (Verbot der Folter) abgeleitet.
- "Non-refoulement"-Gebot: Wenn eine Person als Flüchtling in die Europäische Union kommt, dürfen die Mitgliedstaaten sie in keinen Staat zurückweisen, in dem ihr Leben oder ihre Freiheit aufgrund von "Rasse, Religion, Staatsangehörigkeit, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen politischen Überzeugung" bedroht sein würden. Das bestimmt die Genfer Flüchtlingskonvention (Artikel 33), die alle EU-Mitgliedstaaten unterschrieben haben. Das nennt man Prinzip der Nicht-Zurückweisung (non-refoulment).
- Selbst dann, wenn Geflüchtete über ein Land einreisen, in denen ihnen keine direkte Verfolgung droht, dürfen sie dorthin nicht ohne weiteres ab- oder zurückgeschoben werden. Denn als sogenannte sichere Drittstaaten gelten nur solche, die das non-refoulment-Prinzip der Genfer Flüchtlingskonvention einhalten (Richtlinie 2013/32/EU, Artikel 38).
- Alle Personen, die in der Europäischen Union Asyl beantragen möchten, haben zudem das Recht auf eine individuelle Prüfung ihres Asylantrags. Das bedeutet, dass bevor eine schutzsuchende Person ab- oder zurückgeschoben wird, eine Behörde ihren Asylgeusch prüfen muss (Richtlinie 2011/95/EU, Artikel 4).
Ob Pushbacks in allen Situationen illegal sind, ist umstritten. Der Europäische Menschenrechtsgerichtshof (EGMR) hat dazu bislang zwei Grundsatzurteile getroffen:
- 2012 urteile der EGMR, dass der italienische Pushback von Bootsflüchtlingen aus Libyen illegal war. Die italienische Küstenwache hatte das Boot auf das Meer Richtung Libyen zurückgedrängt. Die Flüchtlinge seien auf dem offenem Meer dem Tode schutzlos ausgeliefert, was ein Verstoß gegen Art. 3 EMRK und gegen das Verbot der Kollektivausweisung (siehe oben) darstelle.
- 2020 urteile der EGMR hingegen im Falle eines spanischen Pushbacks an der Grenze Melilla/Marokko, dass die Zurückweisung von zwei Männern rechtens war. Der Grund: Sie hätten absichtlich mit einer größeren Personengruppe und gewaltvoll die Grenze überquert, statt an regulären Grenzübergängen ihr Asylgesuch zu stellen. Sie konnten sich daher nicht auf ihren Anspruch auf eine individuelle Prüfung des Asylantrags berufen.
Zwar erhielt das Urteil aus 2020 in der Rechtswissenschaft auch Zustimmung, viele Jurist*innen kritisierten das jüngere Urteil aber. Insbesondere, dass das Urteil die tatsächlichen Gegebenheiten vor Ort falsch wiedergebe: So sei es faktisch für die Kläger*innen an dem Grenzübergang zu Spanien nicht möglich gewesen, einen Asylantrag zu stellen. Außerdem betonen einige Rechtswissenschaftler*innen, dass die meisten Schutzsuchenden – nämlich Bootsflüchtlinge – gar nicht die Möglichkeit haben, an einem regulären Grenzübergang einen Asylantrag zu stellen. Für sie finde die Argumentation der EGMR-Urteile daher keine Anwendung.Quelle
Asylverfahren in Drittstaaten
Können Asylverfahren in Drittstaaten bearbeitet werden?
Etliche deutsche und europäische Politiker*innen plädieren dafür, Asylverfahren künftig in Drittstaaten zu bearbeiten. Das soll verhindern, dass Geflüchtete in die Europäische Union kommen, um einen Asylantrag zu stellen – und möglicherweise längerfristig bleiben.
2024 hat das Bundesinnenministerium von Sachverständigen prüfen lassen, ob Asylverfahren in Drittstaaten rechtlich und praktisch möglich sind. Ihr Fazit:
- Asylverfahren in Drittstaaten erfordern umfangreiche Rechtsänderungen im nationalen sowie im EU-Recht.
- Bei Überstellungen in Drittstaaten müssen Deutschland und die anderen EU-Mitgliedstaaten sicherstellen, dass Asylsuchende vor Folter und grausamer, unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung geschützt werden (non-refoulement, s. Box).Rechtsgrundlage
- Schutzsuchende müssen die Möglichkeit haben, im Drittstaat ein Schutzgesuch zu stellen. Zudem müssen sie die Möglichkeit haben, Argumente gegen die Überstellung vorzubringen.Rechtsgrundlage
- Die Betroffenen Personen müssen im Drittstaat ein Bleiberecht sowie Zugang zu ausreichenden Existenzmitteln haben (wirksamer Schutz).Rechtsgrundlage
- Die Überstellung eines Asylsuchenden in ein Land, zu dem sie oder er keinen Bezug hat, ist nach aktuellem EU-Recht nicht möglich.Rechtsgrundlage
- Nur eine kleine Anzahl von Drittstaaten käme für das Modell Frage.
Das Gutachten bestätigt das Ergebnis früherer Evaluationen.
Das non-refoulement-Prinzip
Ein Staat, der die Genfer Flüchtlingskonvention (Artikel 33) und die Europäische Menschenrechtskonvention (Artikel 3) unterschrieben hat, darf keine schutzsuchende Person in ein anderes Land überstellen, ohne zu prüfen, ob ihr eine Gefahr für Leib und Leben droht. Das gilt auch für Überstellungen in "sichere" Drittstaaten, wenn es die Gefahr gibt, dass die Person von dort unrechtmäßig in ihr Herkunftsland abgeschoben wird (sogenannte Kettenabschiebung). Mehr dazu hier.
Welche Modelle gibt es? (bitte klicken)
1. Das Albanien-Modell
Im November 2023 haben die italienische und albanische Regierung ein Kooperationsabkommen im Bereich Migration unterzeichnet. Demzufolge sollten Geflüchtete aus "sicheren Herkunftsstaaten", die in internationalen Gewässern vor der italienischen Küste aufgegriffen werden, nach Albanien gebracht werden. Hier sollten sie im Aufnahmezentrum Shengjin ein Screening- und Registrierungsverfahren durchgehen. Im Anschluss hätten sie die Möglichkeit gehabt, einen Asylantrag zu stellen. Ausgenommen waren den Plänen zufolge Frauen, Kinder und besonders schutzbedürftige Personen.
Asylbewerber*innen, denen Schutz gewährt wird, sollten nach Ende des Asylverfahrens (oder nach maximal 18 Monaten) zurück nach Italien gebracht werden. Abgelehnte Asylbewerber*innen sollten in einer weiteren Eirichtung festgehalten und von dort abgeschoben beziehungsweise nach Italien gebracht werden – in der Zuständigkeit der italienischen Behörden. Die Aufnahmeeinrichtungen sollten bis zu 3.000 Personen aufnehmen können.Quelle
Kann das funktionieren?
Die Aufnahmeeinrichtung in Shengjin stand seit der Eröffnung im August 2024 fast durchgehend leer. Etwa 60 Personen (vor allem aus Bangladesh und Ägypten), die bei der Überfahrt im zentralen Mittelmeer aufgegriffen wurden, wurden von italienischen Schiffen nach Albanien überführt. Sie wurden allerdings nach kurzem Aufenthalt zurück nach Italien gebracht: Italienische Gerichte haben die Überstellungen suspendiert – wegen Unstimmigkeiten bei der Feststellung der "sicheren Herkunftsstaaten" Die Gerichte haben das Verfahren dem Europäischen Gerichtshof vorgelegt. Inzwischen hat die italienische Regierung bestimmt, dass die Einrichtung ab April 2025 ausreisepflichtige Ausländer*innen aufnehmen wird, die abgeschoben werden sollen. Derartige "Return Hubs" sind auch von der Reform des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems vorgesehen.Quelle
Wer ist zuständig? In einer Stellungnahme hat der UNHCR betont, dass laut Genfer Flüchtlingskonvention der erste Staat, in dem Flüchtlinge ankommen, dafür sorgen muss, dass sie nicht in eine Gefahrsituation abgeschoben werden (Refoulement). Da Albanien die Genfer Flüchtlingskonvention unterschrieben hat, können Flüchtlinge dorthin gebracht werden – aber nur, wenn sie nicht davor in italienischen Gewässern waren.
Werden Asylbewerber*innen inhaftiert? Im Abkommen steht, dass die italienischen Behörden dafür sorgen müssen, dass die Schutzsuchenden in den Aufnahmeerinrichtungen bleiben (Artikel 6). Eine Inhaftierung von Asylbewerber*innen ist jedoch laut EU-Asylrecht nur in besonderen Fällen möglich.
Haben Asylbewerber*innen Zugang zu Rechtsberatung? Das EU-Recht sieht vor, dass alle Asylbewerber*innen Anspruch auf Rechtsbehelf und Rechtsberatung haben, wenn sie gegen einen Asylbescheid klagen möchten (Asylverfahrensrichtlinie, Artikel 39). Inwiefern sie dieses Recht in Albanien ausüben können, ist fraglich.
2. Das Transitstaat-Modell
Asylverfahren in sogenannten Transitstaaten finden schon seit mehreren Jahren mit Unterstützung des UN-Flüchtlingshilfswerks oder der Internationalen Organisation für Migration statt – etwa in Jordanien. Der UNHCR identifiziert besonders schutzbedürftige Personen vor Ort, die dann im Rahmen von "Resettlement"-Programmen etwa nach Europa, Australien oder Nordamerika verteilt werden.
Kann das funktionieren?
Ja. Das "Resettlement"-System funktioniert allerdings nur eingeschränkt: Gebraucht wurden 2024 knapp 3 Millionen "Resettlement"-Plätze. Tatsächlich verteilt wurden nach UNHCR-Angaben etwa 189.000 Personen (jüngste Erfassung). Auch gibt es derzeit wenige Staaten, in denen derartige Verfahren möglich sind. So wurden zum Beispiel 2011 im tunesischen Flüchtlingslager Choucha mehrere Zehntausend Geflüchtete aus dem Bürgerkireg in Libyen aufgenommen – mit dem Ziel, sie nach Europa, Australien und Nordamerika zu verteilen. Das Camp wurde nach nur zwei Jahren aufgrund zahlreicher Probleme in der Verwaltung geschlossen
3. Das Ruanda-Modell
Im April 2022 unterzeichnete die britische Regierung ein Abkommen mit Ruanda. Dieses sah vor, dass Schutzsuchende, die irregulär Großbritannien erreichen, ins ostafrikanische Land überstellt werden, um dort ihren Asylantrag zu stellen. Im Fall eines positiven Bescheids sollten die Flüchtlinge in Ruanda bleiben. Bei negativem Bescheid sollten sie in ihr Herkunftsland abgeschoben werden. Nach Angaben der britischen Regierung hätte Ruanda zunächst rund 200 Schutzsuchende pro Jahr aufnehmen können.
Kann das funktionieren?
Der britische "Supreme Court" hat das Abkommen im November 2023 für rechtswidrig erklärt, weil es gegen etliche internationale Abkommen verstößt – unter anderem die Genfer Flüchtlingskonvention (Artikel 33) und die Europäische Menschenrechtskonvention (Artikel 3).
Darüber hinaus hat das Gericht Bedenken über den Schutz der Menschenrechte in Ruanda erhoben. Auch der UNHCR kritisierte das Abkommen, weil Schutzsuchende dadurch nicht ausreichend vor der Gefahr eines "Refoulement" geschützt wären. Die britische und ruandische Regierungen haben im Dezember 2023 ein neues Abkommen abgeschlossen. Im Januar 2024 hat das britische Unterhaus ein Gesetz gebilligt, nach dem Ruanda als sichrer Drittstaat eingestuft werden soll. Die Regierung von Premierminister Keir Starmer hat den Plan im Juli 2024 gestoppt.
Sollten Mitgliedstaaten der Europäischen Union entscheiden, das Ruanda-Modell anzuwenden, gäbe es für sie eine weitere Hürde: Schutzsuchende können laut EU-Recht nur dann in sichere Drittstaaten überstellt werden, wenn sie eine "Verbindung" zu diesen Staaten haben. Was genau "Verbindung" bedeutet, ist unklar: Für einige EU-Mitgliedstaaten reicht es, wenn eine Person durch das Land gereist ist. Der Europäische Gerichtshof hat diese Auslegung 2020 jedoch abgelehnt.
Kirchenasyl: Zahlen und Rechtslage
Droht Flüchtlingen eine Abschiebung oder eine Überstellung nach der Dublin-III-Verordnung, können sie unter Umständen im sogenannten "Kirchenasyl" unterkommen. Einige Kirchengemeinden in Deutschland nehmen vorübergehend Asylsuchende auf. Dadurch soll Zeit gewonnen werden, während der die Behörden das Asylverfahren erneut überprüfen.
Mitte April 2025 gab es 421 "aktive Kirchenasyle", in denen mindestens 623 Personen lebten, darunter 121 Kinder, so die Statistik des Vereins "Bundesarbeitsgemeinschaft Asyl in der Kirche". Von den 421 Fällen waren ein Großteil "Dublin-Fälle" (377).Quelle
Laut Zahlen der Bundesregierung gab es im Laufe des Jahres 2024 insgesamt 2.386 Fälle und 2.966 Personen in Kirchenasylen. Diese Zahl ist höher, da ein Kirchenasyl mehrere Personen umfassen kann und das gesamte Jahr umfasst. Darunter waren 2.347 "Dublin-Fälle". Bis 2019 wurde nur die Zahl der Kirchenasyle erfasst. Seit einigen Jahren steigt die Zahl der Kirchenasyle wieder stark an und hat inzwischen das Niveau von 2016 erreicht.Quelle
1983 wurde das erste Kirchenasyl in Berlin gewährt und zehn Jahre später die Bundesarbeitsgemeinschaft Asyl in der Kirche gegründet.Quelle
Nur selten Korrekturen an den Entscheidungen
Bei 2.572 Personen führte das Kirchenasyl 2024 dazu, dass die Frist zur Überstellung in andere EU-Staaten nicht eingehalten wurde. Ein Kirchenasyl führt zwar häufig zu einer erneuten Prüfung der Fälle, allerdings selten zu einer Änderung der Entscheidung. 2015 haben Kirchen und Behörden vereinbart, dass die Kirchen "aussagekräftige Dossiers" über jeden einzelnen Fall erstellen sollen. 2024 wurden 1.878 derartige Dossiers eingereicht. Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) prüfte die Fälle erneut. Es änderte aber nur selten seine Entscheidung: 2023 wurde in neun Fällen die Entscheidung zurückgenommen – 2024 in einem.Quelle
Von Juli 2023 bis Mai 2024 gab es mindestens sechs "angedrohte, versuchte oder vollzogene Räumungen" von Kirchenasylen durch die Polizei, so die "Bundesarbeitsgemeinschaft Asyl in der Kirche", die sich für Kirchenasyle einsetzt. Laut Medienberichten ist das eine neue Entwicklung. Bis 2022 sei es "höchstens einmal pro Jahr" vorgekommen.Quellen
Strafverfahren und Urteile
In der Vergangenheit gab es einige Strafverfahren gegen Geistliche, die Flüchtlingen Kirchenasyl gewährt hatten. Der Vorwurf lautete: Beihilfe zum illegalen Aufenthalt (§ 95 AufenthG). Im Februar 2022 erging das erste Urteil eines Oberlandesgerichts (OLG Bayern) zu dieser Frage: Das Gericht sprach den Benediktiner-Bruder Abraham Sauer frei. Er hatte einem Palästinenser Kirchenasyl gewährt. Im Juli 2022 folgte ein nachgeordnetes Gericht in Bayern (Landgericht Würzburg) dieser Rechtsprechung und sprach die Ordensschwester Juliana Seelmann frei.Quelle
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